Mittwoch, 14. August 2013

Ein Herold plaudert aus dem "Nähkästchen"


„Da wächst jedes Jahr eine Stadt zusammen und feiert sich selbst“   
 

Im Plausch mit Herold Radolf zu Duringen alias Ralf-Uwe Heinz über die Aufgaben eines Herolds, das Besondere am Mittelalterstadtfest in Bad Langensalza und vieles mehr

Auf Mittelaltermärkten trifft man allerlei buntes Volk: Handelsleute wie uns von den Mystic Wolves, die ihre vielfältigen Waren feilbieten, Ritter, die mit ihrem Spiel erfreuen, Kräuterweibchen, Quacksalber, Märchenerzähler undundund. Auch der Herold ist im mittelalterlichen Treiben oft zugegen. Wir haben uns mit dem Herold Radolf zu Duringen zum Interview verabredet, um zu erfragen, was ein Herold früher getan hat und heute auf den Märkten treibt. Außerdem hat uns Radolf verraten, welche Lieblingsmärkte er denn hat und warum.

Was sind Ihre Aufgaben als Herold bei mittelalterlichen Spektakeln?

Als Herold ist man den ganzen Tag gut eingespannt. Man ist der erste der kommt und der letzte, der geht. Ein Herold kümmert sich um den Programmablauf von Ritterturnieren und weiteren Show-Acts, nimmt die Moderation in die Hand und macht die Ansagen, sorgt sich um Eröffnung und Abschluss und gibt dem ganzen einen passenden, interessanten Rahmen. Im Prinzip ist er ein Showmaster so wie Markus Lanz oder Thomas Gottschalk, auch wenn ich Vergleiche mit den beiden nicht mag. Dann schon eher mit Dirk Bach, aber der ist ja leider bereits verstorben.

Wie sind Sie denn zu dieser Aufgabe gekommen?

Da muss ich ein wenig länger ausholen. Fürs Mittelalter habe ich mich schon als Kind begeistert. In der ehemaligen DDR gab es allerdings so etwas wie Mittelaltermärkte noch nicht. Das Mittelalter war als feudalistische Epoche verpönt. Einen kleinen Vorstoß gab es mit der FDJ, die hat an Pfingsten 1988 einmal so etwas wie ein mittelalterliches Spektakel veranstaltet, da ging es aber eher um die Befreiung der Arbeiterklasse durch die Bauernkriege. Ich hab das als Besucher erlebt. Damals haben SED und FDJ wohl schon so etwas wie eine Besänftigungstaktik entwickelt, ein etwas anderes Opium fürs Volk. Das Sahnehäubchen des Festes hatte übrigens wenig mit Mittelalter zu tun: Für 17 DDR-Mark konnten wir Bruce Springsteen und Carlos Santana erleben.
Aber wieder zurück zum Mittelalter: Mit der Grenzöffnung hatten wir also einiges an Nachholbedarf, was das Mittelalter anging. Ich wirkte in einem mittelalterlichen Verein in Erfurt mit, ursprünglich verkörperte ich einen Mönch. Da ich aber als ausgebildeter Lehrer gut reden kann  – in der DDR gehörte zur Lehrerausbildung eine dreijährige Stimmausbildung – wurde es immer wieder an mich herangetragen, als Moderator zu fungieren.  So ist die Figur des Radolf zu Duringen entstanden. Mittlerweile ist der Mönch Geschichte, und ich gebe bei mittelalterlichen Spektakeln nur noch den Herold.

Sie haben eben gerade den Herold mit einem Showmaster verglichen. Ein Entertainer zu sein, Menschen gut zu unterhalten, das sieht immer so leicht aus, da steckt doch aber sicherlich eine Menge Holz dahinter…

Einer meiner Leitsprüche ist:“Man kann nur etwas herausholen, wenn man vorher etwas hineingetan hat.“ - heißt ergo: Wenn ich meine Sache als Herold gut machen will, muss ich tunlichst gut informiert sein über die Künstler und Artisten, die ich da präsentiere, zum anderen muss ich über ein breites Wissen verfügen  über das Mittelalter, aber auch über alle möglichen weiteren Disziplinen, um Kontexte und einen angenehmen Rahmen zu schaffen.
  
Waren die tatsächlichen Herolde eigentlich auch die Showmaster des Mittelalters?

Das wurden sie erst im späten Mittelalter, als sich die Ritterspiele zur Belustigung etablierten. Ihre ursprüngliche Aufgabe aber war es, vor allem im Krieg die Ritter anhand ihrer Wappen zu identifizieren, insbesondere die gefallenen Ritter. Also keine so appetitliche Aufgabe. Die Herolde waren dementsprechend Wappenkundige, daher also auch die Wortverwandtschaft zur Heraldik, zum Wappenwesen. Außerdem waren Herolde Kenner des  einschlägigen Rechts und sehr hoch angesehen, da sie diplomatische Immunität genossen. Deshalb legten sie sich auch einen Amtsnamen zu, der meistens die Region, in der der Herold tätig war, bezeichnete. Einen „Radolf zu Duringen“, in heutigem Deutsch „Ralf aus Thüringen“, hätte es also damals gut geben können, auch wenn die Figur historisch nicht verbürgt ist.  

Wenn Sie das Mittelalter so faszinierend finden, gibt es etwas, das Sie aus dem Mittelalter in die heutige Zeit übertragen wollten?

Das Mittelalter generell war ja eine dunkle und dreckige Zeit, in der viele Menschen erkrankten und früh starben. Heutzutage wird das Mittelalter eher romantisch verklärt. Ich selbst möchte nie und nimmer im Mittelalter gelebt haben. Gewissermaßen positiv war im Mittelalter allerdings, dass alle Stände voneinander abhängig waren. Wenn die Bauern eine schlechte Ernte einfuhren, weil die Natur ihnen einen Strich durch die Rechnung machte, dann bekam der Gutsherr auch einen geringeren Zehnt. Das Bild vom reichen Feudalherren, dem es über alle Maßen gut ging und der seine Leibeigenen knechtete, ist sehr überzogen. Untereinander herrschte sicherlich sehr viel mehr Solidarität, als wir uns das vorstellen können. Diese gegenseitige Abhängigkeit voneinander und diese gegenseitige Solidarität wünsche ich mir auch zu heutigen Zeiten. Einer meiner Lieblingssprüche, fast ein Lebensmotto, ist der Satz von Ernst Wilhelm Arnoldi, der die Gothaer Versicherung gründete: „Lebe für andere, so lebst Du auch für Dich.“ Das drückt ziemlich genau das aus, was ich mir als Lebensgefühl und Selbstverständlichkeit für unsere heutige Zeit wünsche. Etwas mehr Gemeinsinn tut uns allen gut.

Sie sind ja auf diversen Mittelaltermärkten als Herold im Einsatz. Gibt es Feste, die Sie besonders hervorheben möchten?

Von den Mittelaltermärkten, für die ich als Herold tätig bin, gibt es zwei, bei denen ich niemals absagen würde: bei dem in Bad Langensalza und beim großen Fest auf der Brandenburg, der Burgruine bei Lauchröden im mittleren Werratal in Thüringen. Das sind zwei Feste, die mit sehr viel Liebe gemacht sind und ein gutes, unterhaltsames Showprogramm bieten, zwei Feste, bei denen die Balance stimmt, die nicht zu verklärt sind und das Mittelalter als fantastische, kreative Ausdrucksplattform begreifen.
In Bad Langensalza finde ich noch besonders, dass hier jedes Jahr eine ganz Stadt auf den Beinen ist, mitmischt und jeder seinen Beitrag leistet. Jedes Jahr von Neuem wächst eine Stadt zusammen und feiert sich selbst. Einer der Höhepunkt ist immer die Stadtolympiade, die Salzaer Spiele, in der einzelne Ortsteile und Vereine gegeneinander antreten. Das ist einfach wunderschön, Teil dieses Gemeinschaftserlebnisses zu sein. So wünsche ich mir viele Mittelaltermärkte und Stadtfeste allgemein.

Sie wirken in Bad Langensalz schon seit über zehn Jahren mit und wirken auch im Vorfeld bei  Organisation und Programmgestaltung mit. Welche Feste sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Ja, das macht jedes Jahr aufs Neue Spaß. Rahmenhandlung des Mittelalterstadtfestes in Bad Langensalza ist stets, dass zu Ehren der Handwerker der Stadt  ein Fest gegeben wird, bevor sie in die große weite Welt hinausziehen. Daraus entwickeln wir jedes Jahr einen anderen Aufhänger, es gibt ein Eröffnungsstück, einen Einmarsch und einen Auszug.
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir, als wir 2006 das erste Mal Ritterspiele veranstaltet haben. Das war so perfekt und toll, da habe ich gedacht, mehr geht nicht und besser könnte es nicht werden. Doch bisher ist es uns jedes Jahr gelungen, noch eins drauf zu setzen.
Sehr bewegend war auch das Fest im vergangenen Jahr, unser Zwanzigjähriges. Dazu haben wir uns ein ganz besonderes Tavernenspiel ausgedacht, uns an viele tolle Programmpunkte der letzten 20 Jahre erinnert und sie eingebaut. Im Zentrum des Spiels war Frau Schnell vom Kulturamt, denn sie hat dieses Fest so groß gemacht, es 20 Jahre lang getragen; sie ist die Seele des Festes. Wir haben sie auf einen Thron gesetzt, von dem aus sie das Spiel verfolgen konnte. Ehre, wem Ehre gebührt. Da sind nicht nur bei ihr, sondern bei vielen Mitwirkenden und Zuschauern Tränen der Rührung geflossen, und ich bekomme auch jetzt eine Gänsehaut, wenn ich Ihnen das erzähle…

Das Mittelalterstadtfest in Bad Langensalza steht ja am übernächsten Wochenende am 25./26. August wieder vor der Tür. Auf was dürfen sich die Besucher in diesem Jahr denn freuen?

Dieses Jahr steht ein tolles Reiterturnier an, ein Renaissance-Jagd-Programm unter dem Motto Pferd und Falke sowie eine Reiterfeuershow. Ich bin schon selbst ganz gespannt…

Vielen herzlichen Dank für das tolle Gespräch!

Wir von den Mystic Wolves sind auch schon sehr gespannt und natürlich wieder mit einem Stand vertreten. Wir freuen uns über Euren Besuch!

Und solltet ihr im Vorfeld noch eine Gewandung brauchen, ihr wisst ja:

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Dienstag, 6. August 2013

Die Wolfsfrau - Ein Interview mit der Wolfsexpertin Tanja Askani -



 „Schaust Du in die Augen eines Wolfes, blickst Du in Deine eigene Seele.“ Ist der Leitspruch von Mystic Wolves . Unser Wahrzeichen ist der Wolf: weil wir Wolfsfans sind. Klar, dass wir da wissbegierig und immer ganz Ohr sind, wenn jemand über Wölfe gut Bescheid weiß – so jemand, wie die Wolfsexpertin Tanja Askani, die seit Ende der 90er Jahre im Wildpark Lüneburger Heide mehrere Wölfe groß gezogen hat und vertraut mit diesen Tieren zusammen lebt. Wir freuen uns sehr, dass sich Tanja Askani die Zeit für ein Interview mit uns genommen hat.   

Sie begannen 1990 als Falknerin im Wildpark Lüneburger Heide. Wann war Ihre erste Begegnung mit Wölfen und wie ist es dazu gekommen, dass Sie mittlerweile ein ganzes Wolfsgehege betreuen?

Als ich 1992 das erste Mal den Wolfswelpen Cheenook im Arm hatte, war der Funke übergesprungen, und es war klar, dass ich neben meiner Tätigkeit als Falknerin auch um die Wölfe im Wildpark kümmern wollte. Das Thema ließ mich nicht mehr los. In meiner Freizeit besuchte ich verschiedene Wolfsgehege, nahm Kontakt zu anderen Wildparks und Wolfsexperten auf, um von ihnen zu lernen. Der Plan war, auch in Lüneburg ein Wolfsgehege zu betreiben. Das realisierte sich dann sehr viel schneller als geplant. Im Wildpark Lüneburger Heide bekam eine Wölfin Junge. Bei der Geburt starben sowohl sie als auch ihre Welpen – so schien es zunächst. Bei der Bergung der Tiere stellten wir fest, dass noch ein Junges ganz schwach atmete: Flocke. Das war mein erstes Wolfsjunges, das ich bei mir Garten aufziehen sollte, denn das Wolfsgehege in Lüneburg stand ja noch gar nicht.

Wie ziehen Sie ein Wolfsjunges groß? Wie geht das vor sich?
Das ist bei jedem Wolfsjungen individuell, denn jedes Tier hat seine eigene Persönlichkeit, und so entscheide ich das immer in Interaktion mit dem Tier. Grundsätzlich fühle ich mich immer als Mutter: jedes Tier ist mein Kind. In den ersten drei bis vier Wochen bleibt das Wolfsjunge komplett bei mir zu Hause, ich kümmere mich rund um die Uhr um das Kleine, auch nachts schläft es bei mir. Mit drei bis vier Wochen verlassen wir erstmals das Haus und gehen ins Gehege, wo sie ihr Rudel kennen lernen. Zunächst schnuppern sie nur kurz, doch die Zeit im Gehege wird immer länger, so etwas wie eine Eingewöhnung in den Kindergarten.  Im Alter von drei bis vier Monaten bleiben sie den ganzen Tag da. Natürlich verbringe ich nach wie vor noch viel Zeit mit ihnen, als ihre Mutter bin ich ja schließlich eine wichtige Bezugsperson. Aber Wölfe werden sehr viel schneller erwachsen als beispielsweise Hunde.

Was fasziniert Sie an Wölfen? Was ist das Besondere an ihnen?
Ich finde an Wölfen sehr faszinierend, dass sie so viele Widersprüche in sich bergen. Sie können sehr zärtlich sein, sind aber auch gleichzeitig natürlich sehr wild, ein Raubtier, das man nicht unterschätzen sollte. Bei jedem Tier, das ich aufziehe, finde ich meinen eigenen Weg, Dominanz und Unterwürfigkeit auszutarieren – gerade, wenn sie in die Pubertät kommen, wollen sie - ähnlich wie wir Menschen – Grenzen austesten, sich an der Mutter reiben, da ist es wichtig, die richtige Balance zu finden und in der vorherigen Aufzucht schon die richtige Mischung zwischen Autorität und Laisser-faire gefunden zu haben.  

Wölfe haben ja noch mit großen Vorurteilen zu kämpfen. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ja, sicherlich um Wölfe gibt es noch immer hitzige Diskussionen, behaftet mit vielen Allgemeinplätzen. Es haben sich zwei Extremgruppen herauskristallisiert. Auf der einen Seite meinen die Wolfsfans, Wölfe seien nur lieb und wollen sie quasi wie ein Haustier bei sich zu Hause halten und vergessen dabei, dass der Wolf auch ein Raubtier ist. Auf der anderen Seite gibt es immer noch die Mär vom bösen Wolf, der die Kinder wegfrisst. 
Beide Positionen sind natürlich mit Vorsicht zu genießen: Der Wolf ist ein wildes Tier; in der Regel hält er sich aber von Menschen fern. Aber nur lieb ist der Wolf eben auch nicht. Der Mensch hier in Deutschland hat verlernt, mit der Existenz von Raubtieren zu leben.

Wolfsliebhaber kämpfen ja dafür, dass wieder mehr Wölfe in den Wäldern ausgewildert werden sollen…
Das ist meiner Meinung nach überhaupt nicht notwendig. Die Wölfe kommen von ganz alleine zurück. In den vergangenen Jahrzehnten waren unsere Wälder ausgejagt. Der Wolf hatte nicht mehr genügend zu fressen. Heute sind unsere Wälder langsam wieder intakt. Also kommen auch die Wölfe zurück. Ein Auswilderungsprogramm haben wir nicht nötig.

Sie haben im Jahr 2010 die Wolfshündin Naaja aus Kanada in den Wildpark Lüneburger Heide geholt und davor jahrelang dafür gekämpft. Was hatte es damit auf sich? Warum wollten sie unbedingt frisches Wolfsblut nach Deutschland holen?
In Deutschland haben wir ein großes Inzucht-Problem. Fast alle weißen Wölfe gehen auf die Zucht von Bernhard Grzimek im Frankfurter Zoo zurück. Entsprechend werden viele kranke Tiere geboren, wie zum Beispiel Flocke die einzige Überlebende eines Wurfes ist. Auch Flocke wäre fast gestorben als sie das erste Mal Junge bekommen hat.  Dem wollte ich ein Ende setzen. Insgesamt haben wir neben Naaja zwei weitere Wölfe aus Kanada geholt: Najaa nach Deutschland und zwei Wölfe nach Österreich. Natürlich erhoffen wir uns dadurch neue Würfe mit frischem Blut, ohne die Wölfe aus Kanada zu Geburtsmaschinen zu degradieren natürlich.

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Freude und Erfolg beim Leben und Arbeiten mit den Wölfen im Wildpark Lüneburger Heide!

Mehr über Tanja Askani gibt´s hier:






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